Menschenrecht statt Moria

Beschluss der pax christi-Delegiertenversammlung am 27.März 2021

Für eine menschenrechtskonforme Asyl- und Migrationspolitik Deutschlands und der EU
statt Migrationsabwehr
 

 

pax christi kritisiert die verschärfte Politik der Migrationsabwehr der EU an den Außengrenzen, die zunehmend gekennzeichnet ist von der Missachtung des Völkerrechts und Verstößen gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Militärisch ist sie geprägt von massiver Aufrüstung an Land, im Wasser und durch eine international vernetzte Überwachungstechnik. Eine Politik mit tödlichen Folgen:  

Aufgrund fehlender staatlicher Seenotrettungsprogramme und der Behinderung und Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung ertrinken jedes Jahr über tausend Menschen im Mittelmeer. Bei Auseinandersetzungen an der türkisch-griechischen Grenzen starben im März 2020 mindestens zwei Menschen durch Schüsse griechischer Grenzschutzbeamt*innen. In den Lagern an den EU-Außengrenzen leben Menschen unter unwürdigsten Bedingungen, z.B. derzeit 18.000 Menschen auf den griechischen Inseln in den sogenannten Hotspots. Menschen, die ihr Recht auf Asyl in Anspruch nehmen wollen, werden an den EU-Außengrenzen durch Frontexbeamt*innen und nationalstaatliche Grenzschutzbeamt*innen mit illegalen Pushbacks davon abgehalten die EU zu erreichen. Dies zeigen Berichte von gewaltsamen Einsätzen europäischer Grenzschutzbeamt*innen an der kroatisch-serbischen Grenze und in der Ägäis.

 

ð  pax christi fordert den sofortigen Stopp dieser tödlichen und illegalen Praxis. 

 

Legitimiert wird diese Praxis mit dem „Schutz“ der EU-Außengrenzen und der „Sicherheit“ der EU-Bürger*innen. Der Schutz vor und damit die Abwehr von schutzsuchenden Menschen wird mittels massiver Aufrüstung und Militarisierung umgesetzt. Zentraler Akteur ist die EU Grenzschutzagentur Frontex, die bis 2027 personell (auf 10.000 Grenzschützer*innen) und materiell ausgebaut wird. Die EU stellt dazu 11 Milliarden Euro bereit. Kritik an illegalen Pushbacks an den Außengrenzen durch Frontex ist für die EU bisher kein Anlass, von diesen Plänen abzusehen und Kontrollinstanzen für die Arbeit von Frontex zu installieren. 

Desweiteren sind im neuen Finanzrahmen der EU für die Jahre 2021-2027 große Investitionen im Bereich Grenzmanagement, unter anderem die Anschaffung von Grenztechnologien, wie Drohnen und satellitengestützter Grenzüberwachung auf dem Land und der See, geplant. Profiteure dieser Politik sind überwiegend europäische Rüstungskonzerne wie Airbus, Thales, Heckler und Koch, uvm., wie die kürzlich veröffentlichten Frontex-Files aufgezeigt haben.

 

ð  pax christi fordert den Abzug deutscher Bundes- und Landesbeamt*innen aus Grenz- und Frontexeinsätzen, solange diese an illegalen Pushbacks beteiligt sind.

ð  pax christi fordert, die europäische Grenzschutzagentur Frontex für mögliche Grundrechtsverletzungen zur Verantwortung zu ziehen und eine institutionell unabhängige und rechtlich verbindliche Beschwerdestelle einzurichten, bei der Geschädigte ihr Recht gegenüber Frontex einklagen können. 

ð  Statt Gelder in die Abwehr von Geflüchteten zu investieren, fordert pax christi, sichere Fluchtwege und legale Einreisemöglichkeiten zu schaffen und zu einem menschrechtskonformen Handeln an den EU-Außengrenzen zurückzukehren. 

 

pax christi kritisiert die Entrechtung der Geflüchteten an den EU-Außengrenzen:

Sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU werden schutzsuchende Menschen in Lagern ihrer Würde und häufig auch ihrer Rechte beraubt. Die Politik der Inhaftierung und Festsetzung als Maßnahmen zur Abschreckung und Abwehr von Geflüchteten muss beendet werden und der Zugang zu Schutz und das Recht auf Asyl müssen gesichert sein. Die Kampagne „Kein Weihnachten in Moria“ hat bereits auf die katastrophalen Lebensumstände der Geflüchteten in den Lagern auf den griechischen Inseln hingewiesen und die sofortige Evakuierung der Lager gefordert.

 

ð  pax christi fordert weiterhin die Schließung und Evakuierung der menschenunwürdigen Lager und eine menschenwürdige und sichere Unterbringung der Geflüchteten.

ð  pax christi fordert die Bundesregierung auf, entsprechend des im Koalitionsvertrag festgeschriebenen „Zuwanderungskorridors“ von jährlich mindestens 180.000 bis 220.000 Menschen aufzunehmen.

ð  pax christi fordert den Bundesinnenminister auf, den Ländern und Kommunen, die sich zu Sicheren Häfen erklärt haben und bereit sind, Geflüchtete von den EU-Außengrenzen aufzunehmen, dies endlich zu ermöglichen.

Durch Abkommen mit Drittstaaten treibt die EU die Externalisierung der eigenen Außengrenzen voran und rüstet die Staaten an den EU-Außengrenzen auf. Im Rahmen sogenannter Migrationspartnerschaften erhalten Staaten Geld, wenn sie Geflüchtete von der Weiterreise in die EU abhalten bzw. bereits eingereiste Personen in Schnellverfahren wieder zurücknehmen. Inhaltlich reichen diese "Partnerschaften" von Handelsabkommen über Trainings für Polizei und Grenzschutz (inklusive Ausstattung, Material und Rüstungsgütern) bis hin zu Rückübernahmeabkommen, die Abschiebungen erleichtern sollen. Problematisch sind all diese Partnerschaften, weil sie auf einem stark konditionalen Ansatz beruhen, sodass Entwicklungs- und Handelspolitik immer stärker mit Migrationspolitik verknüpft werden. Darüber hinaus verstoßen Abkommen mit Akteur*innen wie der sogenannten "libyschen Küstenwache", aber auch vielen anderen Staaten, gegen menschenrechtliche Grundsätze wie das Non-refoulement Gebot sowie gegen Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

ð  pax christi kritisiert die Aufrüstung von Drittstaaten durch EU-Migrationspartnerschaften und fordert den Stopp von Aufrüstung und Ausbildungsmissionen für Grenzschützer*innen in Drittstaaten.

ð  pax christi fordert einen Rüstungsexportstopp insbesondere in menschenrechtsverletzende und kriegführende Staaten. Durch deutsche Rüstungsexporte im Rahmen der Migrationspartnerschaften mit Staaten wie Libyen, Ägypten und der Türkei, unterstützt Deutschland Gewalt und Menschenrechtsverletzungen gegenüber Geflüchteten. 

 

Hilfe und Solidarität für Geflüchtete leisten vor allem zivile Akteur*innen und zeigen damit das humane Gesicht Europas. NGOs und Ehrenamtliche organisieren die Hilfe und Unterstützung, die den Geflüchteten von staatlicher Seite verwehrt bleibt. Beispiele sind die zivile Seenotrettung, Ärzte ohne Grenzen und zahlreiche kleine Hilfsorganisationen, die sich um eine Verbesserung der Lage der Geflüchteten bemühen. Allerdings wird die Arbeit dieser Organisationen immer wieder durch die Kriminalisierung von Hilfeleistungen für Geflüchtete verhindert. So etwa, wenn Rettungsschiffe festgesetzt werden oder die Versorgung von Geflüchteten unter Strafe gestellt wird.

 

Auch Engagierte in Deutschland bekommen diese Entwicklung zu spüren. So gerät das Kirchenasyl unter Druck, wie das Strafverfahren gegen die Äbtissin Mechthild Thürmer zeigt.

 

ð  pax christi solidarisiert sich mit den Engagierten und Retter*innen und fordert ein Ende der Kriminalisierung von Hilfe und Solidarität.

 

ð  Als Mitglied des Bündnisses United4rescue solidarisiert sich pax christi mit festgesetzten zivilen Rettungsschiffen, wie der Sea Watch, und fordert ein Ende der Festsetzung.  

ð  Statt Ausgaben für die Aufrüstung an den EU-Außengrenzen fordert pax christi die Wiedereinführung eines europäischen Seenotrettungsprogramms.

 

 

Stoppt das Leid der Menschen in Moria! - SOFORT!-

Von den 23 Plakaten mit Stichworten zum Thema "Hilfe für Flüchtlinge", die wir rund um die Kirche aufgehängt haben, liegt das mit der Aufschrift "Nächstenliebe", vom Wind abgerissen, am Boden. Das ist sinnbildlich zu sehen für die aktuelle Flüchtlingspolitik der EU und ihrer Staaten.

Am Freitag, den 25.September 2020 haben wir zusammen mit dem Deutsch-Ausländischen Freundeskreis Sendenhorst e.V. vor dem Südportal der katholischen Kirche in Sendenhorst eine Aktion durchführt, bei der wir auf das unsägliche Leid der Menschen im ausgebrannten Elendslager in Moria und auch den anderen Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln hinwiesen und eine umgehende menschengerechte Lösung der Probleme für die Menschen dort einforderten.

 

Dazu hatten wir auch eine Petition an den Landrat des Kreises Warendorf und seine 13 Städte und Gemeinden ausliegen, die unterschrieben werden konnte.

 

Zum Abschluß der Veranstaltung hängten einige TeilnehmerInnen noch orangefarbene Plakate (orange = Farbe der Seenotrettungswesten der Flüchtlinge im Mittelmeer) mit Stichwörtern zum Thema "Flüchtlinge" am Geländer rund um die Kirche auf (siehe Bildfolge unten). Dann schloß die Aktion mit einem Gedicht von Nima Youschidsch, vorgetragen von Nazanin Asgari.

Hinweis:

In der Zwischenzeit haben wir dank Unterstützung von Nazanin Asgari eine elektronische Form der Petition vorliegen, die Sie aufrufen können, wenn Sie hier anklicken.

 

Erklärungen zur Brandkatastrophe in Moria

1. Angesichts der Brände im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos hat pax christi - Deutschland eine Erklärung veröffentlicht. Darin betont die pax christi-Bundesvorsitzende Stefanie Wahl u.a.: „Moria ist seit Jahren Sinnbild einer verfehlten und gescheiterten EU-Migrations- und Asylpolitik. Jetzt gilt es zunächst den Geflüchteten in ihrer Not zu helfen und die Menschen aufzunehmen. Deutschland und die europäischen Mitgliedsstaaten tragen die Verantwortung für diese Situation“.

Den vollständigen Text der Erklärung von pax christ - Deutschland finden Sie, wenn Sie hier anklicken.

 

2. Der Vorsitzende der Migrationskommission und Sonderbeauftragte für Flüchtlingsfragen der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Stefan Heße (Hamburg) erklärte angesichts der Brandkatastrophe u.a. Folgendes: "Die Nachricht vom Feuer im Flüchtlingslager Moria darf niemanden, der in Politik und Kirche Verantwortung trägt, gleichgültig lassen. Alle Leidtragenden schließe ich in mein Gebet ein. In die Betroffenheit über das Elend der Schutzsuchenden mischt sich die Bestürzung über das politische Versagen. Man muss es wohl so offen sagen: Es handelt sich um eine Katastrophe mit Ansage. Die mit dem Flüchtlingslager Moria verfolgte Politik der Abschreckung geht auf Kosten der Menschlichkeit.

Die vollständige Erklärung finden Sie, wenn hier klicken.

 

3. Offener Brief von Experten an Merkel und Seehofer: Räumt die Lager!

In einem eindringlichen Appell fordern über 20 Expert:innen Bundeskanzlerin Merkel und Bundesinnenminister Seehofer auf, die Flüchtlingslager in Griechenland zu räumen.

 

 

Den Aufruf können Sie lesen, wenn Sie hier anklicken.